Strapazierfähige Entwicklung oder teuerster Fehler der deutschen Bildungsgeschichte:
Ein Blick über den Tellerrand für die nationale Bildungsplattform und den digitalen Bildungsraum.
Beth Havinga
Die geplanten „Bildungsplattform“ und „Bildungsraum“ möchten in erster Linie die Problematik der heterogenen Landschaft der Bildungsplattformen, -systeme und -angebote bekämpfen, indem sie eine zentralisierte Lösung anbieten; ein bekanntlich ambitioniertes und ehrgeiziges Vorhaben. So logisch der Ansatz zuerst klingt, so verwirrend sind die bisherigen Beschreibungen des Vorhabens, sodass teilnehmende Organisationen und die Politik wiederholten Klärungsbedarf aussprachen. Um die Chancen für das Gelingen eines solchen Vorhabens realistisch einzustufen, ist es wichtig einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Denn nach kürzester Recherche stößt man im internationalen Bildungsbereich auf eine Vielzahl von ähnlichen zentralisierten Ansätzen, die schon längst in die Brüche gegangen sind, stets mehr und sehr oft das Doppelte als vorhergesehen gekostet haben, oder Beweggründe für eine dezentralisierte Lösung hatten.
"Bislang haben keine großtechnische Bildungsinitiativen im K-12 (Kindergarten bis zur 12. Klasse) Bereich Erfolg gehabt".[i]
Tatsächlich zeigen die Reaktionen auf die geplante deutsche Plattform im internationalen Umfeld zunächst Zweifel bis hin zu Fassungslosigkeit. Denn auch wenn man die Beispiele und Erfahrungen aus anderen Ländern für nicht vergleichbar abschreibt, gehen aktuelle Entwicklungen im Web, bei Zertifizierungen oder sogar Identitätsmanagement und Portfolios Richtung einer Dezentralisierung, die bei den Überlegungen eines zentralen Systems für Deutschland in Betracht gezogen werden müssten, um die Zukunftssicherheit und Anschlussfähigkeit der Plattform zu gewährleisten. Dezentralisierte Identifiers (DID), die wir aus der Verwendung von verschiedenen Covid-Apps kennen, oder Self Sovereign Identity (Selbstbestimmte Identität), die stetige Beherrschung über die eigenen Daten, werden bereits in mehreren Ländern im Bildungsbereich, wie zum Beispiel in Südafrika, angewandt. Auch die rasche Entwicklung von dezentralisierten Ansätzen wie Web3, oder sogar ED3 sind Möglichkeiten, die sich teilweise sogar mit der Beschreibung der Bildungsplattform decken.
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From Web3 to Ed3 |
Um einigen kritischen Fehlern vorzubeugen, wäre es für die Entwicklungen in Deutschland wichtig, dass wir aus den internationalen Beispielen lernen, sowie aktuelle Entwicklungen prüfen, um die Zukunftssicherheit unserer Systeme zu garantieren
Ein Blick über den Tellerrand
InBloom (USA)
Der bekannte Fall, InBloom, aus den USA war genauso ambitioniert in seinem Umfang, wie das deutsche Vorhaben. Die Beschreibung des Projektes könnte fast eine Übersetzung der BMBF-Unterlagen sein:
Der bekannte Fall, InBloom, aus den USA war genauso ambitioniert in seinem Umfang, wie das deutsche Vorhaben. Die Beschreibung des Projektes könnte fast eine Übersetzung der BMBF-Unterlagen sein:
Die Plattform soll die Herausforderung von abgeschotteter Datensicherung, welche die Interoperabilität bestehender Schulsysteme verhindert, adressieren durch die Einführung von gemeinsamen Standards, eine zentralisierte Open-Source Plattform, die Harmonisierung von Daten im Bildungsbereich über etliche Schulen, eine Vielzahl von Formaten (z.B., Papierunterlagen, verschiedene Softwareprogramme, Noten) und mehrere Standorte hinweg. Das Ziel der Plattform ist es, die Standardisierung von Daten und Datenprozessen zu unterstützen. Auch soll die Plattform Zugang zu allen Lern- und Lehrapplikationen und -Inhalten, sowie eine Verlinkung zu allen Lernressourcen zur Verfügung stellen[ii].
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Das Ergebnis des Vorhabens sollte also umso erschreckender für die Chancen der nationalen Bildungsplattform und des digitalen Bildungsraums sein, denn InBloom, mit einem Investment von ca. 100 Millionen USD, hat knapp ein Jahr lang als zentrale Plattform überlebt, ehe sie wieder abgeschaltet werden musste. Hauptsächlich waren es Fragen des adäquaten Datenschutzes, Erfahrungen aus der tatsächlichen Praxis, und eine Bildungsindustrie, die bereits funktionierende und erfolgreiche Lösungen boten, welche hohe Kosten für die notwendigen Modifikationen der Produkte, um sie Anschlussfähig zu machen, hätten tragen müssen, die dazu geführt haben, dass InBloom von vorne rein zum Scheitern verurteilt war.
Mit einer hohen Finanzierung seitens der Gates Foundation und Bill Gates persönlich involviert, kamen Fragen bezüglich der Datenmengen auf, die mittels InBloom verwaltet werden sollten und wer letzten Endes tatsächlich Zugang zu den Daten bekommen sollte. Zudem fand die Plattform trotz zentraler und föderaler Unterstützung, weder bei den einzelnen Staaten noch den Anbietern noch den Nutzern Akzeptanz. Aus fünf (von 50) Staaten, die Ursprünglich dabei waren, gab es am Schluss nur drei und mehrere von Eltern initiierten Gerichtsverfahren, wegen der fehlenden Zustimmung der Datenverarbeitung von sensiblen Daten. Eine große Herausforderung für die Plattform war ihre Identitätskrise: war sie ein agiler Startup, ein etablierter Software-Anbieter, eine offene Community-betriebene Plattform? Der Fall von InBloom zeigt auf jeden Fall deutlich:
Mit einer hohen Finanzierung seitens der Gates Foundation und Bill Gates persönlich involviert, kamen Fragen bezüglich der Datenmengen auf, die mittels InBloom verwaltet werden sollten und wer letzten Endes tatsächlich Zugang zu den Daten bekommen sollte. Zudem fand die Plattform trotz zentraler und föderaler Unterstützung, weder bei den einzelnen Staaten noch den Anbietern noch den Nutzern Akzeptanz. Aus fünf (von 50) Staaten, die Ursprünglich dabei waren, gab es am Schluss nur drei und mehrere von Eltern initiierten Gerichtsverfahren, wegen der fehlenden Zustimmung der Datenverarbeitung von sensiblen Daten. Eine große Herausforderung für die Plattform war ihre Identitätskrise: war sie ein agiler Startup, ein etablierter Software-Anbieter, eine offene Community-betriebene Plattform? Der Fall von InBloom zeigt auf jeden Fall deutlich:
Die Regelwerke, Organisation und Prozesse waren nicht gut genug definiert, sodass Schulen am datengeprägten Unterricht hätten teilnehmen können. Zudem gab es keine Transparenz gegenüber und Akzeptanz von den Stakeholdern.
Ultranet (Australien)
Mit einer Investition in Höhe von A$180 Millionen (130 Millionen Euro) ist der Fall von Ultranet im Staat Victoria, Australien der bisher teuerste Fehler pro Capita in der Geschichte der digitalen Bildung. Ebenfalls im Jahr 2014 gescheitert, das Projekt, welches lediglich A$60 Millionen (42 Millionen Euro) hätte kosten sollen, hat seinen Rahmen eindeutig gesprengt und dennoch nur 10% der ursprünglich geplanten Funktionalitäten geliefert.
Mit einer Investition in Höhe von A$180 Millionen (130 Millionen Euro) ist der Fall von Ultranet im Staat Victoria, Australien der bisher teuerste Fehler pro Capita in der Geschichte der digitalen Bildung. Ebenfalls im Jahr 2014 gescheitert, das Projekt, welches lediglich A$60 Millionen (42 Millionen Euro) hätte kosten sollen, hat seinen Rahmen eindeutig gesprengt und dennoch nur 10% der ursprünglich geplanten Funktionalitäten geliefert.
Ähnlich, wie in Deutschland, war das Projekt ein Versprechen der letzten Regierung, die nun von der Nächsten umgesetzt werden sollte. Auch ähnlich war die geplante Prototypphase. Von vielen Anbietern bemängelt wurde die anschließende Ausschreibung, die so deutlich auf die prototyp-ausführenden Organisationen maßgeschnitten war, und es kaum möglich gemacht hat, eine andere Firma damit zu beauftragen. Fragwürdiger wurden aber die vergaberechtlichen Prozesse, nachdem alle Ausschreibungs-Angebote bei ca. A$100 Millionen (70 Millionen Euro) lagen, was die von der Regierung versprochenen A$60 Millionen weit übertroffen hat. Da keines der Angebote dem politischen Versprechen entsprach und finanziell nicht im Rahmen war, wurde die ausführende Organisation des Prototyps mit der Weiterentwicklung beauftragt. Dass ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums inzwischen bei dieser Organisation gearbeitet haben und andere sogar in die entsprechenden Firmen investierten, wurde erst später klar und führte zu mehreren strafrechtlichen Investigationen.
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Technologieprojekte sollen nur dann geliefert werden, wenn ein Bedürfnis tatsächlich existiert und, notwendigerweise, von allen Stakeholdern als solches wahrgenommen wird. Zudem, wenn Ressourcen nicht verschwendet werden sollten, muss das Problem klar identifiziert und das Bedürfnis akzeptiert sein, bevor eine Lösung angeboten wird. Birth, life and death of the Victorian Education Ultranet |
Das Ultranet wurde politisch getrieben und musste schnell vor der nächsten Wahl fertiggestellt werden, was dazu geführt hat, dass am Tag der Ersteinführung in den Schulen, das System nicht tragfähig war, sofort am ersten Tag zusammengebrochen ist, die Funktionalitäten bei weitem nicht den Umfang der Bedürfnisse abdeckten, und rund 42.000 LehrerInnen keinen Zugang zu erwarteten Systemen und Ressourcen hatten.
Solche Entwicklungen müssen von politischen Fristen und politischem Getue losgelöst werden. Es muss kritisch geprüft werden, dass Prototypen transparent entwickelt werden, tatsächlich die von den zukünftigen Nutzern wahrgenommenen Bedürfnisse abdecken, und dass die entsprechenden Ausschreibungen nicht von den durchgeführten Prototypen abhängig sind.
Aula (Dänemark)
Dank der SSO (Single Sign On) Lösung, UniLogin, kennt sich das hochdigitalisierte Land Dänemark bereits länger mit zentralen Projekten aus und hat einiges in dieser Zeit dazu gelernt. Nicht zuletzt, die Wichtigkeit der Einbindung aller Stakeholder, nachdem bei der ersten Version die Verbindung zu den Schulbuchverlagen gefehlt hat.
Mit Aula, einer zentralisierten Kommunikationsplattform für alle Schulen und Eltern, gibt es eine Reihe von Problemen. Zentral gesteuert durch KOMBIT (die IT-Projektorganisation aller Kommunen) und gemanagt durch KL (die Nationale Allianz der lokalen Behörden), stößt die Plattform immer wieder auf große Kritik. Der Preis ist plötzlich um 50 Millionen DKK (6.8 Millionen Euro) gestiegen und, um weitere Kostensteigerungen vorzubeugen, mussten die Funktionalitäten gekürzt werden. Schulleiter berichten, dass die Plattform die tagtägliche Arbeit der Lehrpersonen erschwert und eine Umfrage des Schulleiterverbands hat gezeigt, dass nur 5% der Nutzer finden, dass die Plattform gut funktioniert. Letzten Endes geht es aber darum, dass „Aula weder aktuell ist, noch bedienerfreundlich“.[vii]
Um etwas zu entwickeln, was allen Nutzern passen könnte, wurde eine Plattform zur Verfügung gestellt, welche den Bedürfnissen der Nutzer nicht entspricht:
Dank der SSO (Single Sign On) Lösung, UniLogin, kennt sich das hochdigitalisierte Land Dänemark bereits länger mit zentralen Projekten aus und hat einiges in dieser Zeit dazu gelernt. Nicht zuletzt, die Wichtigkeit der Einbindung aller Stakeholder, nachdem bei der ersten Version die Verbindung zu den Schulbuchverlagen gefehlt hat.
Mit Aula, einer zentralisierten Kommunikationsplattform für alle Schulen und Eltern, gibt es eine Reihe von Problemen. Zentral gesteuert durch KOMBIT (die IT-Projektorganisation aller Kommunen) und gemanagt durch KL (die Nationale Allianz der lokalen Behörden), stößt die Plattform immer wieder auf große Kritik. Der Preis ist plötzlich um 50 Millionen DKK (6.8 Millionen Euro) gestiegen und, um weitere Kostensteigerungen vorzubeugen, mussten die Funktionalitäten gekürzt werden. Schulleiter berichten, dass die Plattform die tagtägliche Arbeit der Lehrpersonen erschwert und eine Umfrage des Schulleiterverbands hat gezeigt, dass nur 5% der Nutzer finden, dass die Plattform gut funktioniert. Letzten Endes geht es aber darum, dass „Aula weder aktuell ist, noch bedienerfreundlich“.[vii]
Um etwas zu entwickeln, was allen Nutzern passen könnte, wurde eine Plattform zur Verfügung gestellt, welche den Bedürfnissen der Nutzer nicht entspricht:
"Uns wurde gesagt, es gibt ein zeitsparendes Werkzeug. Bekommen haben wir aber das Gegenteil. Die Plattform unterstützt keineswegs die Bedürfnisse für Kooperation und gute Kommunikation, und am allerschlimmsten, es ist die Quelle großer Frustration an Schulen.“ [iii]
Skolplattform (Schweden)
Entwickelt im Jahr 2013, um den Schulalltag für SchülerInnen, Lehrpersonen und Eltern in der Stadt Stockholm, Schweden, zu vereinfachen, die Skolplattform wurde zur skandalösten IT-Investition in der Geschichte der Stadt. Die gesamte Entwicklung war von einer ungesunden Kultur geprägt:
Entwickelt im Jahr 2013, um den Schulalltag für SchülerInnen, Lehrpersonen und Eltern in der Stadt Stockholm, Schweden, zu vereinfachen, die Skolplattform wurde zur skandalösten IT-Investition in der Geschichte der Stadt. Die gesamte Entwicklung war von einer ungesunden Kultur geprägt:
Die Dokumentation war mangelhaft, Zuständigkeiten waren nicht ausreichend geklärt, wichtige Pläne fehlten, und bei mehreren Entscheidungsdokumenten, Vereinbarungen und Verwaltungsunterlagen fehlten Datum und Verfasser. Risiken wurden heruntergespielt, um die Karriere der Projektmitarbeiter zu schützen. Ein Prüfbericht von der Firma PWC hat sogar festgestellt: das Projekt sei komplett intransparent gestaltet [iv].
Die Skolplattform war zentral gesteuert und komplex aufgebaut mit 18 individuellen Modulen von der Registrierung der Anwesenheit bis hin zur Notenerfassung, und sollte 600 Kitas und 177 Schulen und insgesamt 160.000 SchülerInnen bedienen. Der Kostenpunkt lag bei 1 Milliarden schwedische Kronen (101,6 Millionen Euro) bis zur Fertigstellung: ca. 635€ pro SchülerIn, eine Summe die, anders investiert, für einen Laptop, Zugang zu einer Lernplattform und digitale Lernmaterialien pro Person gereicht hätte.
Es gab deutliche Warnzeichen schon vor dem Start der Plattform, dass sie auf eine Katastrophe zusteuerte. Dennoch wurde die Arbeit fortgesetzt, um das Budget und den politisch getriebenen Zeitrahmen einzuhalten.
Bei der Forschung einiger Elternteile, um herauszufinden, wieso „das schlechteste System, dass sie je gesehen haben“ so langsam war, wurden gravierende Datenschutzlücken gefunden, die Zugriff auf allerlei persönliche Informationen sowohl von SchülerInnen, als auch von Lehrpersonen ermöglichten. Die Datenschutzbehörde nahm den Fall an und die Stadt musste als Strafe vier Millionen Kronen zahlen (380,000 EUR). Aus der Not heraus haben einige Eltern eine eigene App, die ‚Öppna Skolplattform‘ (Offene Schulplattform) entwickelt, basierend auf Open-Source-Lizenzen. Statt, dass die Stadt mit den Eltern kooperiert, hat sie die Eltern bei der Polizei mit dem Verdacht auf eine Verletzung des Datenschutzes angezeigt. Die Eltern wurden nach einem langen Prozess für unschuldig erklärt und beide Systeme arbeiten inzwischen miteinander, obwohl die Skolplattform noch einiges an Bedarf aufzeigt.
Es gab deutliche Warnzeichen schon vor dem Start der Plattform, dass sie auf eine Katastrophe zusteuerte. Dennoch wurde die Arbeit fortgesetzt, um das Budget und den politisch getriebenen Zeitrahmen einzuhalten.
Bei der Forschung einiger Elternteile, um herauszufinden, wieso „das schlechteste System, dass sie je gesehen haben“ so langsam war, wurden gravierende Datenschutzlücken gefunden, die Zugriff auf allerlei persönliche Informationen sowohl von SchülerInnen, als auch von Lehrpersonen ermöglichten. Die Datenschutzbehörde nahm den Fall an und die Stadt musste als Strafe vier Millionen Kronen zahlen (380,000 EUR). Aus der Not heraus haben einige Eltern eine eigene App, die ‚Öppna Skolplattform‘ (Offene Schulplattform) entwickelt, basierend auf Open-Source-Lizenzen. Statt, dass die Stadt mit den Eltern kooperiert, hat sie die Eltern bei der Polizei mit dem Verdacht auf eine Verletzung des Datenschutzes angezeigt. Die Eltern wurden nach einem langen Prozess für unschuldig erklärt und beide Systeme arbeiten inzwischen miteinander, obwohl die Skolplattform noch einiges an Bedarf aufzeigt.
Estland
Der digitale Vorreiter, Estland, hat von einer zentralen Plattform abgesehen und setzt stattdessen auf dezentralisierte Systeme, basierend auf umfangreicher Dokumentation, wie ein Interoperabilitätskatalog und ein Manifest, welches die Funktionen von technischen Komponenten eines Systems auf einer standardisierten Art und Weise beschreibt. Aus ihrer Erfahrung mit den Entwicklungen der letzten Jahre sprechen sie eine klare Warnung aus: wenn die Organisation oder die Prozesse selbst problematisch sind, dann werden auch die Informationssysteme und daraus resultierenden Dienstleistungen so sein. In der neusten Auflage der estländischen Next Generation Digital Government Architektur verweist der Autor auf das Conways Gesetz: |
„Jede Organisation, die im weitesten Sinne ein System entwirft, wird ein Design erzeugen, dessen Struktur eine Kopie der Kommunikationsstruktur der Organisation ist.“ – Melvin Conway |
bei der Entwicklung von neuen digitalen Systemen werden existierende Kommunikations- und soziale Strukturen die Entwicklung so prägen, dass, auch beim besten Willen, das Endprodukt die bestehenden und tatsächlichen Routinen, Prozesse und Kommunikationsmuster wiedergeben und somit gefangen in alten Herangehensweisen und Systematiken sein wird.
Grundsätzlich gilt, dass schlechte Prozesse nicht durch gute Technologie verbessert, sondern lediglich digitalisiert werden.
Frankreich
Selbst in Frankreich, einem Land in dem sämtliche Bildungssysteme zentral organisiert werden, wird eine zentrale Bildungsplattform seitens des Ministeriums ausgeschlossen. Stattdessen hat das Bildungsministerium und das Ministerium für Digitales in umfangreiche, regelmäßig aktualisierte Richtlinien investiert, sowie dafür gesorgt, dass alle Schnittstellen definiert, standardisiert, und Entscheidungsprozessen und Interaktionen unter allen Akteuren geklärt sind. Somit kann der freie Markt sicher interagieren und anknüpfen. Außerdem sind datenschutztechnische Fragen, sowie Themen der Interoperabilität ausreichend und zentral geklärt, und die Innovation des freien Marktes sichergestellt. Am wichtigsten ist jedoch, dass sie somit agil bleiben können und auf zukünftige Innovationen vorbereitet sind, weil sie keine Plattform ggfs. zentral umprogrammieren, sondern nur einzelne Schnittstellen neudefinieren müssen.
Selbst in Frankreich, einem Land in dem sämtliche Bildungssysteme zentral organisiert werden, wird eine zentrale Bildungsplattform seitens des Ministeriums ausgeschlossen. Stattdessen hat das Bildungsministerium und das Ministerium für Digitales in umfangreiche, regelmäßig aktualisierte Richtlinien investiert, sowie dafür gesorgt, dass alle Schnittstellen definiert, standardisiert, und Entscheidungsprozessen und Interaktionen unter allen Akteuren geklärt sind. Somit kann der freie Markt sicher interagieren und anknüpfen. Außerdem sind datenschutztechnische Fragen, sowie Themen der Interoperabilität ausreichend und zentral geklärt, und die Innovation des freien Marktes sichergestellt. Am wichtigsten ist jedoch, dass sie somit agil bleiben können und auf zukünftige Innovationen vorbereitet sind, weil sie keine Plattform ggfs. zentral umprogrammieren, sondern nur einzelne Schnittstellen neudefinieren müssen.
Nationale Bildungsplattform & Digitaler Bildungsraum
Wenn selbst in zentralgeführten, hochdigitalisierten Ländern von einer zentralisierten Plattform im Bildungsbereich abgesehen wird, muss in Frage gestellt werden, wie im föderalistischen Deutschland eine solche Plattform Erfolg erzielen kann, sodass wir in ein paar Jahren nicht auch vom "teuersten Fehler" oder "skandalösten IT-Investition" unserer Zeit reden müssen. Die Beispiele anderer ähnlich ambitionierter Systeme sollten dazu dienen, dass die gleichen Fehler hier nicht wiederholt werden müssten und die geplanten 630 Millionen Euro nicht vergeblich investiert werden.
Zentralisierte Plattformen stellen immer große Herausforderungen dar und werden schnell zu Monolithen, deren Umfang sehr oft wegen finanzieller oder zeitlicher Engpässe gekürzt werden. Häufig spielen politische Ziele oder Fristen eine bedeutende Rolle bei der Taktung der Entwicklung, statt sich auf die Bedürfnisse der Plattform selber zu konzentrieren. Zudem müssen wir dem Verweis aus Estland, dass schlechte Prozesse nicht durch Technologie verbessert werden, hier zulande kritisch begegnen.
Zentralisierte Plattformen stellen immer große Herausforderungen dar und werden schnell zu Monolithen, deren Umfang sehr oft wegen finanzieller oder zeitlicher Engpässe gekürzt werden. Häufig spielen politische Ziele oder Fristen eine bedeutende Rolle bei der Taktung der Entwicklung, statt sich auf die Bedürfnisse der Plattform selber zu konzentrieren. Zudem müssen wir dem Verweis aus Estland, dass schlechte Prozesse nicht durch Technologie verbessert werden, hier zulande kritisch begegnen.
Wurden bestehende Prozesse und Strukturen kritisch hinterfragt, oder bilden Sie das Rückgrat der zu entwickelnden Plattformen? Welche zukunftsfähigen, strapazierfähigen Ansätze werden tatsächlich hier verfolgt, oder digitalisieren wir einfach bestehende Modelle?
Wie die Beispiele von InBloom, Ultranet und Aula deutlich zeigen, müssen etwaige Systeme nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer entwickelt werden und diese auch von Beginn an miteinbeziehen. Außerdem müssen alle Arten von Anbietern berücksichtigt werden. Wenn das nicht mal in Dänemark gelingt, einem Land von ca. 5.8 Millionen Einwohnern, muss hinterfragt werden, ob die Bedürfnisse in Deutschland gut genug identifiziert, geprüft und dokumentiert sind.
Die ursprüngliche Idee der nationalen Bildungsplattform wurde binnen Wochen und nach Taktgebung der politischen Lage entwickelt. Einige wenige Organisationen haben zwar ein Meinungsbild auf die Schnelle einreichen dürfen, aber eine ausreichende Transparenz bei der weiteren Planung wurde bemängelt. Die internationalen Beispiele zeigen, dass von einem Erfolg nur dann gesprochen werden kann, wenn eine Plattform nach den von den Endnutzern und Anbietern wahrgenommenen Bedürfnissen entwickelt wurde. Können wir aufgrund des strafen Zeitfensters sicher davon ausgehen, dass diese wahrgenommenen Bedürfnisse ausreichend festgestellt und dokumentiert wurden, dass die Plattformen Akzeptanz bei allen Stakeholder findet? In den Raum muss auch die verbundene Frage gestellt werden:
Die ursprüngliche Idee der nationalen Bildungsplattform wurde binnen Wochen und nach Taktgebung der politischen Lage entwickelt. Einige wenige Organisationen haben zwar ein Meinungsbild auf die Schnelle einreichen dürfen, aber eine ausreichende Transparenz bei der weiteren Planung wurde bemängelt. Die internationalen Beispiele zeigen, dass von einem Erfolg nur dann gesprochen werden kann, wenn eine Plattform nach den von den Endnutzern und Anbietern wahrgenommenen Bedürfnissen entwickelt wurde. Können wir aufgrund des strafen Zeitfensters sicher davon ausgehen, dass diese wahrgenommenen Bedürfnisse ausreichend festgestellt und dokumentiert wurden, dass die Plattformen Akzeptanz bei allen Stakeholder findet? In den Raum muss auch die verbundene Frage gestellt werden:
Wurde der Bedarf nach einer zentralisierten Plattform tatsächlich bewiesen und rechtfertigt er eine Priorisierung der Entwicklung noch vor dem Bedarf nach standardisierten Schnittstellen, definierter Interoperabilität auf allen Ebenen, oder klar geregelten Zuständigkeiten und Kooperationen?
Denn laut einer Präsentation des BMBFs soll der Aufbau einer föderalen Vernetzungsinfrastruktur als Taktgeber für Interoperabilität dienen und nicht andersrum, wie ansonsten immer empfohlen. Somit werden Fragen des Umfangs, der Zuständigkeiten, Organisation und sogar des Endergebnisses ad hoc und während eines laufenden Prozesses geklärt. Es ist, als ob man weiß, dass man gerne einen Kuchen haben möchte, aber die Mengenangaben und Zutaten nicht definiert sind, die Prozessschritte nur vage dargestellt wurden und nicht mal der Chef Konditor hat je einen solchen Kuchen hinbekommen oder nach anderen Rezepten geschaut.
Die internationalen Beispiele zeigen deutlich, dass eine fehlende Transparenz bei der Konzeption, Prototypenphase oder Entwicklung einer der häufigsten Auslöser von Problemen war. Zudem spielten fehlende Regelwerke, Prozessdefinitionen und mangelnde Dokumentation eine bedeutende Rolle bei den Endergebnissen. Ähnlich, wie bei der Skolplattform, wurde hier in Deutschland die Intransparenz bei den geplanten Initiativen bemängelt, sodass mehrfach im Bundestag und sogar in verschiedenen Treffen der Projektbeteiligten nachgefragt werden musste, welchen Umfang diese Plattformen haben sollten. Aufgrund der Struktur der ersten Projektphase, werden Prototypen wie Silos entwickelt und, um die Schwierigkeiten von Ultranet vorzubeugen, muss sichergestellt sein, dass die Ausschreibungen tatsächlich Prototypen-neutral geschrieben werden.
Die internationalen Beispiele zeigen deutlich, dass eine fehlende Transparenz bei der Konzeption, Prototypenphase oder Entwicklung einer der häufigsten Auslöser von Problemen war. Zudem spielten fehlende Regelwerke, Prozessdefinitionen und mangelnde Dokumentation eine bedeutende Rolle bei den Endergebnissen. Ähnlich, wie bei der Skolplattform, wurde hier in Deutschland die Intransparenz bei den geplanten Initiativen bemängelt, sodass mehrfach im Bundestag und sogar in verschiedenen Treffen der Projektbeteiligten nachgefragt werden musste, welchen Umfang diese Plattformen haben sollten. Aufgrund der Struktur der ersten Projektphase, werden Prototypen wie Silos entwickelt und, um die Schwierigkeiten von Ultranet vorzubeugen, muss sichergestellt sein, dass die Ausschreibungen tatsächlich Prototypen-neutral geschrieben werden.
Alle Beispiele haben den finanziellen Rahmen deutlich gesprengt und einige kosteten am Ende fast das Doppelte. Welche Kontrollsysteme sind vorhanden, sodass aus 630 Millionen Euro nicht über eine Milliarde werden wird oder wir notwendige Funktionalitäten kürzen müssen?
Ähnlich wie InBloom, scheinen manche der Prototyp-Projekte unter einer Identitätskrise zu leiden. Es wird, zum Beispiel, immer wieder betont, dass die Plattformen keine weitere Lernplattform sein sollte. Dennoch zeigt der DAAD Prototyp weitestgehend Funktionalitäten einer Lernplattform vor. Des Weiteren, und obwohl nutzersouveräne Datendistributionsansätzen verfolgt werden sollten, stellt das Beispiel eine Suchfunktion nach Klartextnamen, sowie nach Lerngruppenzugehörigkeiten dar, was an sich unmöglich sein wird, sollten sich Nutzer dagegen entscheiden, diese Daten zur Nutzung weiterzugeben. Beispiele wie diese zeigen, wie wichtig eine genaue Definition des Umfangs und die Transparenz gegenüber allen Beteiligten ist. Allgemein scheint es eine fehlende Klarheit bei manchen Funktionalitäten zu geben, sodass sichergestellt werden müsste, dass wichtige und von den Endnutzern als Bedürfnis bezeichnete Funktionalitäten nicht auf der Strecke bleiben.
Schlussfolgerung
Ein Blick über den Tellerrand zeigt deutlich, dass die Chancen für das Gelingen bei der Entwicklung eines zentralisierten Systems gering sind und, dass solche Vorhaben im Bildungsbereich große Herausforderungen mit sich bringen. Diesen Herausforderungen kann allerdings vorgebeugt werden, wenn man aus den Fehlern anderer Länder und Plattformen lernt. Die hier genannten Beispiele werfen einige Fragen auf, die kritisch betrachtet werden müssen, wenn es in Deutschland zukunftsfähige Systeme als Teil eines strapazierfähigen Innovationsökosystems geben soll. Außerdem zeigen die Beispiele, dass von Erfolg nur dann gesprochen werden kann,
Ein Blick über den Tellerrand zeigt deutlich, dass die Chancen für das Gelingen bei der Entwicklung eines zentralisierten Systems gering sind und, dass solche Vorhaben im Bildungsbereich große Herausforderungen mit sich bringen. Diesen Herausforderungen kann allerdings vorgebeugt werden, wenn man aus den Fehlern anderer Länder und Plattformen lernt. Die hier genannten Beispiele werfen einige Fragen auf, die kritisch betrachtet werden müssen, wenn es in Deutschland zukunftsfähige Systeme als Teil eines strapazierfähigen Innovationsökosystems geben soll. Außerdem zeigen die Beispiele, dass von Erfolg nur dann gesprochen werden kann,
- wenn eine Plattform den von allen Stakeholder wahrgenommenen Bedürfnissen entspricht und es eine breite Akzeptanz als notwendige Lösung gibt;
- wenn die Regelwerke, Organisation und Prozesse ausreichend definiert sind und es eine Transparenz bei der Entwicklung in allen Stadien gibt;
- wenn ein solches Vorhaben von politischen Fristen losgelöst wird; und
- wenn die grundlegenden Prozesse hinter der Entwicklung neu durchdacht werden, denn schlechte Prozesse werden nicht durch gute Technologie verbessert, sondern lediglich digitalisiert.
Februar 2022